Neustrukturierung eines Unternehmens nach Konzernübernahme

Ausgangssituation
Nach der Übernahme eines mittelständischen Unternehmens mit 180 Mitarbeitenden durch einen internationalen Konzern mit rund 3’000 Mitarbeitenden stand die Organisation vor der Herausforderung, ihre internen Strukturen und Prozesse an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Beide Unternehmen, sowohl der Konzern als auch das mittelständische Unternehmen, sind in der Industrie- und Bauzuliefererbranche tätig und entwickeln, produzieren und vertreiben ihre Produkte autonom. Der Konzern arbeitet dabei nach dem Prinzip „Make to Stock“, entwickelt, produziert und verkauft in grossen Mengen, während das KMU auf „Make to Order“ setzt, also massgeschneiderte Lösungen für Kunden produziert und vertreibt.
Die bestehenden Strukturen im übernommenen Unternehmen wiesen erhebliche Schwachstellen auf:
- Räumliche Trennungen von eng kooperierenden Teams verursachten lange Wege und beeinträchtigten die Zusammenarbeit.
- Abteilungen, die in den letzten 20 Jahren aufgrund von persönlichen Differenzen der Mitarbeitenden auseinandergewachsen waren, arbeiteten ineffizient.
- Abteilungsübergreifende Prozesse waren unkoordiniert und sorgten für Reibungsverluste.
Ziel
Das Ziel der Neustrukturierung war die Optimierung interner Abläufe, die Förderung der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit und die Schaffung eines kohärenten Teamgefühls. Dabei wurde jedoch schnell klar, dass die Standardprozesse des Konzerns nicht ohne Weiteres auf das KMU übertragen werden konnten. Das KMU benötigte massgeschneiderte Lösungen, die der „Make to Order“-Produktion gerecht wurden. Insbesondere die Fertigung nach spezifischen Kundenanforderungen und die hohe Flexibilität in der Produktion erforderten eine detaillierte Überprüfung der bestehenden Prozesse.
Vorgehensweise
Analyse der bestehenden Strukturen
Zunächst wurden alle Abteilungen umfassend analysiert. Hierbei kamen verschiedene Analyseinstrumente zum Einsatz:
Einbeziehung grosser Kunden: Um ein externes, unabhängiges Bild der Unternehmensprozesse und ihrer Stärken und Schwächen zu erhalten, wurden auch grosse, langjährige Kunden in den Analyseprozess mit einbezogen. Durch gezielte Interviews und Feedbackgespräche mit diesen Kunden konnten wertvolle Einblicke in die Wahrnehmung der Produkt- und Servicequalität gewonnen werden. Dies half nicht nur dabei, Verbesserungspotenziale aus der Sicht des Marktes zu identifizieren, sondern zeigte auch auf, wie stark die Prozesse des Konzerns von denen des KMU abwichen.
- Prozess-Mapping: Die bestehenden Prozesse wurden an einer grossen Wand visualisiert. Dabei wurden physische Wege, Schnittstellen und Wartezeiten sichtbar gemacht. Diese Methode half, ineffiziente Abläufe aufzuzeigen und Veränderungspotenziale zu identifizieren.
- Workshops: Mitarbeitende aus verschiedenen Abteilungen nahmen an moderierten Workshops teil, um ihre Perspektiven auf bestehende Probleme und mögliche Verbesserungen einzubringen. Hierbei wurde besonders Wert auf die Einbindung von langjährigen Mitarbeitenden gelegt.
- Statistische Erhebungen: Daten zu Arbeitszeiten, Kommunikationswegen und Prozessschritten wurden gesammelt, analysiert und in Berichten visualisiert, um fundierte Entscheidungen treffen zu zu können.
- Abteilungsübergreifende Prozessanalysen: Es wurden Verknüpfungen zwischen Abteilungen untersucht, um Verzögerungen und ineffiziente Schnittstellen zu eliminieren.
- Einbeziehung grosser Kunden: Um ein externes, unabhängiges Bild der Unternehmensprozesse und ihrer Stärken und Schwächen zu erhalten, wurden auch grosse, langjährige Kunden in den Analyseprozess mit einbezogen. Durch gezielte Interviews und Feedbackgespräche mit diesen Kunden konnten wertvolle Einblicke in die Wahrnehmung der Produkt- und Servicequalität gewonnen werden. Dies half nicht nur dabei, Verbesserungspotenziale aus der Sicht des Marktes zu identifizieren, sondern zeigte auch auf, wie stark die Prozesse des Konzerns von denen des KMU abwichen.
Zusammenlegung von Abteilungen
Basierend auf den Analyseergebnissen wurden zusammengehörige Abteilungen organisatorisch und räumlich zusammengelegt. Dies betraf insbesondere Bereiche, deren Trennung auf langjährige persönliche Diskrepanzen zurückzuführen war. Die Zusammenführung:
- Verkürzte operative Wege erheblich.
- Schuf ein neues Teamgefühl und verstärkte die Zusammenarbeit.
- Beispiel: Abteilungen, die früher getrennt in unterschiedlichen Gebäuden arbeiteten, wurden in einem zentralen Raum zusammengebracht, wodurch die direkte Kommunikation erleichtert wurde.
Räumliche Optimierung
Einige Abteilungen wurden in dasselbe Gebäude verlegt, um die Kommunikation und den Austausch zu erleichtern. Die unmittelbare Nähe trug dazu bei, Arbeitsprozesse effizienter zu gestalten und die Zugehörigkeit der Mitarbeitenden zu steigern. Dies reduzierte auch die physische Belastung durch lange Wege zwischen Arbeitsbereichen.
Identifikation externer Best Practices
Parallel zur internen Analyse wurden Prozesse im Mutterkonzern untersucht. Besonders funktionierende Abläufe aus anderen Standorten im Ausland wurden als Best Practices identifiziert. Diese Modelle dienten als Blaupause und wurden in die Neustrukturierung integriert. Dabei wurde darauf geachtet, die Erfahrungen auf lokale Gegebenheiten anzupassen.
Es zeigte sich jedoch schnell, dass die Prozesse des Konzerns, die auf das „Make to Stock“-Prinzip ausgelegt sind, nicht einfach auf das KMU übertragen werden konnten. Die Produktionsstrategie des Konzerns, die auf hohe Stückzahlen und Vorproduktion setzt, entsprach nicht dem Bedarf des KMU, das aufgrund seiner „Make to Order“-Ausrichtung individuellere und flexiblere Produktionsprozesse benötigte. Die Herausforderung bestand darin, diese Unterschiede klar zu machen und die Konzernleitung davon zu überzeugen, dass ein einfacher Transfer der Prozesse aus der Konzernzentrale nicht zielführend wäre. Dies erforderte eine detaillierte Argumentation und die Entwicklung massgeschneiderter Lösungen, die sowohl die Flexibilität des KMU als auch die Skaleneffekte des Konzerns berücksichtigt hätten.
Herausforderungen
Einige Mitarbeitende hatten Schwierigkeiten, sich auf die neuen Strukturen einzustellen. Um diese Situation fair zu gestalten, wurde jedem Mitarbeitenden ein umfangreiches Unterstützungsangebot gemacht, einschliesslich Schulungen, persönlicher Gespräche und Übergangslösungen. Für jene, die sich trotz aller Bemühungen nicht mit den Veränderungen arrangieren konnten, wurde ein faires Austrittspaket geschnürt, das den Übergang erleichterte.
Die Neustrukturierung brachte auch bedeutende Herausforderungen mit sich, insbesondere:
- Anpassungsschwierigkeiten langjähriger Mitarbeitenden: Viele langjährige Mitarbeitende hatten Schwierigkeiten, sich an die neuen Strukturen anzupassen. Dies lag häufig an festgefahrenen Gewohnheiten und Unsicherheiten bezüglich der neuen Arbeitsweisen. Workshops und individuelle Gespräche halfen, die Akzeptanz zu fördern, konnten jedoch nicht alle Überzeugungsbarrieren abbauen.
- Verlust von Wissen: Durch die Trennung von nicht anpassungsfähigen Mitarbeitenden ging teilweise wertvolles Erfahrungswissen verloren, was durch gezielte Dokumentationsmassnahmen und Wissensweitergabe kompensiert wurde.
- Kulturelle Unterschiede: Die Integration externer Best Practices stiess in einigen Fällen auf Ablehnung, da lokale Gepflogenheiten nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Eine intensive Anpassung dieser Prozesse war notwendig.
Ergebnis
Die Neustrukturierung führte zu einer deutlichen Verbesserung der internen Abläufe und der Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen. Die räumliche und organisatorische Zusammenlegung:
- Reduzierte Reibungsverluste und beschleunigte Entscheidungsprozesse.
- Stärkte das Wir-Gefühl und die Zusammenarbeit zwischen Teams.
- Schuf eine Basis, auf der zukünftige Prozesse flexibler und effizienter angepasst werden können.
Durch die Orientierung an bestehenden Best Practices aus dem Konzernumfeld konnten bewährte Strategien erfolgreich implementiert werden, was den Integrationsprozess beschleunigte und zu einem nachhaltigen Erfolg führte. Besonders wichtig war jedoch, dass die Konzernleitung die Notwendigkeit einer angepassten Prozessstruktur erkannte und auf den unterschiedlichen Produktionsansatz des KMU einging. Dies ermöglichte die Entwicklung einer langfristigen Strategie, die sowohl die Vorteile des Konzerns als auch die Flexibilität des KMU optimal zur Geltung brachte.
Extern brachte die Neustrukturierung eine spürbare Verbesserung der Kundenzufriedenheit. Klare Ansprechpartner und schnellere Rückmeldungen ermöglichten effizientere Kommunikationswege, die insbesondere von grossen Kunden positiv wahrgenommen wurden. Dies stärkte das Vertrauen und die Bindung der Kunden zum Unternehmen.
Intern wurden Prozesse durch den Wegfall unnötiger Schritte verschlankt und beschleunigt. Mitarbeitende profitierten von einer klareren Verantwortungsverteilung und erhöhter Transparenz, was die Produktivität und Motivation steigerte. Optimierte Arbeitsabläufe schufen zusätzliche Kapazitäten, die für strategische Projekte genutzt werden konnten.
Die Übernahme wurde somit zu einem Wendepunkt, der nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens erhöhte, sondern auch die Basis für eine langfristige Entwicklung schuf. Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten wurde klar, dass die Unterschiedlichkeit der Produktionsmodelle beider Unternehmen die Grundlage für eine massgeschneiderte und langfristig erfolgreiche Zusammenarbeit bildet.
Insgesamt war die Neustrukturierung nicht nur eine Anpassung an neue Rahmenbedingungen, sondern auch eine Gelegenheit, das Unternehmen strategisch und operativ nachhaltig zu stärken.